Angst
Angst ist eine Schutzfunktion. Sie bewahrt einen Menschen vor ernsthaften Schäden verschiedenster Art. Indem man sich der Angst öffnet, ergreift man spontan die richtigen Maßnahmen.
Das gilt für berechtigte Ängste. Sie sind im Leben normalerweise nicht übermäßig häufig. Vielfach verhält man sich völlig selbstverständlich so, dass es wenig Anlass zu echten Ängsten gibt.
Daneben gibt es eingebildete Ängste. Eingebildete Ängste sind im gegenwärtigen Mensch-Sein nicht gerade selten.
Eine Häufung eingebildeter Ängste ergibt sich immer irgendwie aus einer Weltsicht, die nicht sehr gut mit der wahren Natur der Realität übereinstimmt oder sogar vollkommen falsch ist. Zum Beispiel:
- materielle Weltsicht: In einer Welt, die aus der Materie entstand und in der Zufälle und Naturgesetze regieren, kann jederzeit alles Mögliche geschehen. Da muss man ständig damit rechnen, dass das Geschehen für einen selbst ungünstig verläuft. Denn die Welt macht ja unabhängig vom einzelnen Menschen einfach irgendwas.
- Pseudo-geistige Weltsicht: Die Annahme der unabhängigen und selbstständigen Existenz des Bösen und strafender Autoritäten, die Macht über den Menschen haben und diese Macht jederzeit einsetzen könnten.
Geistige Weltsicht richtig verstanden, rechtfertigt ein tiefes Vertrauen ins Leben und in die umgebende Welt. Sie ist der Schlüssel zu einem Leben, das sich schrittweise von allen eingebildeten Ängsten befreit.
Das Problem ist nicht, Angst zu haben. Das Problem ist auch nicht, eingebildete Ängste zu haben. Das Problem ist, sich der Angst nicht zu stellen und zu öffnen.
Eingebildete Ängste haben vor allem die Eigenschaft, die Handlungsfreiheit eines Menschen einzuschränken. Sie führen dazu, dass die Situation, welche die Angst auf den Plan ruft, gemieden wird. Das ist ja auch die normale Funktion der Angst - nur wenn sie eingebildet ist, gibt es keinen echten Grund, die Situation zu meiden. Sie lassen einen Menschen dort nicht handeln, wo er eigentlich handeln will bzw. bewegen sie den Menschen zu einem anderen Verhalten, als er es eigentlich will.
Wenn man auf eine eingebildete Angst reagiert, reagiert man damit gleichzeitig auf die dahinterstehende einschränkende Idee. Das hat 2 Konsequenzen:
1. Der Handlungsspielraum schränkt sich immer weiter ein.
2. Es wird ein bisschen wahrscheinlicher, dass das Befürchtete tatsächlich eintritt.
Die Einschränkung der Handlungsfreiheit kann so weit gehen, bis man in einem bestimmten Bereich seines Lebens völlig gelähmt ist und es zu einer ernsthaften Krise kommt.
Dann wird einem Menschen langsam klar, dass hier irgendwas mit den Grundannahmen nicht stimmen kann.
Andererseits was will man erwarten: Wenn man zufällig aus ein paar Lehmklumpen entstanden ist, dann ist man dem zufälligen Geschehen der Lehmklumpen eben auch ziemlich hilflos ausgeliefert. In so einer Welt gibt es nicht viel zu lachen. Es sei denn man hat eine Menge Galgenhumor.
Die Lösung ist, sich einer Angst zu stellen. Das bedeutet, sich mit der Angst zu konfrontieren. Und das wiederum bedeutet, doch in die Situation hineinzugehen, in welcher die Angst auftritt.
Während man das tut, kommt die Angst natürlich voll nach oben geschossen. Und dann öffnet man sich der Angst und lässt sie hochkommen.
Indem man sich einer eingebildeten Angst stellt, wird man sie los. Sie verschwindet ohne Rückstände.
Manche eingebildete Ängste kann man in einem Durchlauf loswerden, anderen muss man sich eine Zeit lang immer wieder stellen und dann sind sie irgendwann weg.
Das gilt für komplett eingebildete Ängste. Daneben gibt es aber auch echte Ängste und es gibt Mischformen. Das sind Ängste, die einen echten Anteil haben, der aber weit übertrieben wird.
Bei vielen eingebildeten Ängsten weiß man eigentlich recht klar, dass sie eingebildet sind, sobald man mal ein bisschen darüber nachdenkt.
Bei anderen ist es aber nicht so klar bzw. weiß man nicht, wo genau die Grenze zwischen berechtigtem und eingebildeten Angst-Anteil verläuft.
Es wäre also möglich, dass man sich einer Angst stellen möchte um sie loszuwerden, die eigentlich ihre reale Berechtigung hat.
Das heißt man begibt sich in die Situation, vor der die berechtigte Angst eigentlich schützen möchte.
Das ist nicht wirklich ein Problem, weil man sich ja der Angst dabei öffnet.
Indem man sich der Angst aber öffnet, öffnet man gleichzeitig den Kanal für den Durchgriff des inneren Selbst auf die Situation. Und das wiederum führt falls nötig zu notwendigen spontanen Reaktionen oder es kommen Gefühle nach oben, die einen Menschen recht schnell erkennen lassen, dass es hier tatsächlich nicht weitergeht. Das sind Gefühle, die sich so lange immer weiter verstärken, bis notwendige Verhaltenskorrekturen erfolgen.
Man hat es also unter Umständen mit zwei Arten von Gefühlen zu tun:
- die Gefühle, welche mit eingebildeten Ängsten verbunden sind: Im Idealfall kommen sie wie eine Welle, rollen über einen hinweg und verschwinden dann. So ist es natürlich nicht immer. Man erkennt sie daran, dass sich nach ein paar Versuchen die Identifizierung mit ihnen lösen lässt. Man kann sie da sein lassen und gleichzeitig völlig gelassen bleiben.
- die Gefühle welche mit berechtigten Ängsten verbunden sind: Sie intensivieren sich kontinuierlich immer weiter, bis es absolut unerträglich wird und auch dem begriffsstutzigsten Menschen klar werden würde: "Da geht es nicht lang."
Wenn man diese Dinge praktisch tut, lernt man das immer besser unterscheiden.
Nun werden manche Leute vielleicht sagen: "Aber ich sehe doch täglich in den Nachrichten, was alles passieren kann."
Dazu möchte ich folgendes anmerken:
- Die gegenwärtige Form der Nachrichtenverbreitung schüttet seltene Einzelereignisse über die nahezu ganze Menschheit aus. Dadurch entsteht ein ganz falscher Eindruck über die Häufigkeit negativer Ereignisse. Das ist aber noch nicht einmal der springende Punkt:
- Der eigentliche Irrtum ist, negative Ereignisse als etwas zu verbreiten, das denen die es erfuhren, vollkommen zufällig und willkürlich geschah. Der Zusammenhang zum Leben und vor allem zum Innenleben der Betroffenen fehlt völlig. Man kennt ihn ja oft auch nicht. Die Betroffenen geben diese Informationen ja auch nicht preis. "Wenn es irgendwem auf der Welt so geschah, dann kann es doch jederzeit ganz genau so mir widerfahren." Das ist die Annahme. Und die Frage ist, ob das stimmt.
- Medien behaupten immer, sie würden "informieren". Dabei "informieren" sie aber absolut überwiegend über negative Geschehnisse und Entwicklungen. Es erschiene auch irgendwie lächerlich, die Gewichtung herumzudrehen und überwiegend Positives zu berichten. Da hätte man das Gefühl: "Was soll das? Das ist doch nicht wichtig." oder "Ist das nicht ein bisschen lächerlich?" Aber wäre das wirklich so lächerlich? Und braucht man tatsächlich das Wissen über all die Negativ-Geschehnisse? Was sind die Gründe für dieses Phänomen? Und stimmen sie, diese Gründe? Eine interessante Denksportaufgabe!
Tatsache ist, dass durch die Medien in der gegenwärtigen Form eine Art Parallel-Realität im Kopf entsteht: Der innere Eindruck von den Eigenschaften dieser Welt ist durch Medien-Berichterstattung geprägt, die aber in einem absolut krassen Gegensatz zur eigenen ganz persönlichen Lebenserfahrung steht.
Die eigene ganz persönliche Lebenserfahrung, so wie sie tatsächlich ist, würde eine vollkommen andere Welt innerlich herauskommen lassen, als die durch die Medien geprägte. Es schadet sicher nichts, sich das von Zeit zu Zeit klarzumachen.