Das Gewünschte durch Vorstellungen herbeiführen

Ich habe sehr lange und fest an Vorstellungen als Methode zur Herbeiführung gewünschter Wirkungen geglaubt. Und da ich Dinge, von denen ich überzeugt bin, gewöhnlich mit sehr viel Energie umzusetzen versuche, habe ich entsprechend viel Zeit damit verbracht, Vorstellungen zu erzeugen.

Genauer gesagt, ich habe es versucht. Denn mit den Vorstellungen machte ich vor allem eine Erfahrung: Es ging nicht.

Ich versuchte wieder und wieder, mir etwas Gewünschtes vorzustellen und so sehr ich mich auch anstrengte und mühte, es ging teilweise absolut überhaupt gar nicht.

Das war eine erstaunliche Erfahrung, wo man doch überall und in so vielen Büchern lesen kann, wie wichtig das mit den Vorstellungen ist.

Und ich weiß wovon ich spreche: Ich habe über Jahre fast täglich damit zugebracht - mit dem Versuch bestimmte Vorstellungen zu erzeugen. Es klingt so einfach, aber ich konnte es nicht!

Andererseits gab es Situationen, da wurde ich von positiven Vorstellungen des Gewünschten regelrecht überflutet und das teilweise über längere Zeiträume, ohne dass ich mich auch nur im Geringsten darum bemüht hatte. Das geschah vor allem dann, wenn ich eine relevante Handlung ausgeführt hatte. Das heißt, wenn ich etwas getan hatte, dass dem Ziel tatsächlich in einem sehr praktischen Sinne diente.

Es war offensichtlich sinnlos und auch frustrierend, Vorstellungen abseits des ganz konkreten Handlungsprozesses irgendwie erzeugen zu wollen, um das spätere Handeln irgendwie zu erleichtern oder um zu erreichen, dass etwas ganz ohne weiteres Handeln eintritt.

Vorstellungen sind ganz normaler Bestandteil schöpferischer Prozesse. Wenn sie gebraucht werden, sind sie da. Natürlich werden viele Dinge erst in der Vorstellung durchgespielt, ehe man sie tatsächlich praktisch tut.

Aber:

Die natürlich vorhandenen und normalerweise in schöpferischen Prozessen selbstverständlichen Vorstellungen sind an vielen Stellen durch einschränkende Annahmen blockiert. Bei Vorstellungen geht es weniger darum, sie künstlich zu erzeugen, als viel mehr ihren natürlichen Fluss wieder in Gang zu setzen.

Vorstellungen folgen dem Willen, den Gefühlen, der Aufmerksamkeit und beherzten Entscheidungen.

Wenn ich eine Tasse vom Tisch nehmen möchte, dann muss ich auch nicht darüber nachdenken, wie ich meinen Arm nun dahin bewegen muss und was meine Hand tun muss, damit die Tasse mitkommt. Ich tue es einfach und es geht. Ein einfacher Entschluss und alles läuft. Außer der Arm ist blockiert. Dann wäre es aber ein Fehler, nun den Arm und die Hand rational steuern zu wollen. Man würde eher schauen, wie sich die Blockade beseitigen lässt, damit es wieder leicht, spontan und flüssig funktioniert.

Und genauso ist es mit den Vorstellungen: Es geht darum, die Blockaden eine nach der anderen zu beseitigen, welche die natürliche Arbeit der Vorstellungen verhindern.

Kinder kennen eine der wirksamsten Möglichkeiten, Vorstellungen einzusetzen:

sich etwas erträumen

Eigentlich ist ihnen dabei nicht unbedingt klar, was sie tun. Sie geben sich einfach bestimmten Vorstellungen hin, weil es sich für sie schön anfühlt.

Diese Art des Vorstellungen Bildens ist nicht Ziel-orientiert, sondern auf die gegenwärtige Erfahrung fixiert: Man gibt sich einer Vorstellung hin, weil sie glücklich macht und weil man das genießt.

Das würde zielorientiert auch nicht sehr gut funktionieren, denn es erfordert einen recht langen Atem. Dafür wirkt es um so mächtiger und kann sich in grundlegenden, kompletten Lebensumstellungen manifestieren.

Wenn man sich über Jahre hinweg bestimmten angenehmen Vorstellungen hingibt, einfach weil man dazu Lust hat (nicht Lust auf die Verwirklichung der Vorstellung, sondern Lust auf die Vorstellung an sich), dann wird sich diese Vorstellung auf eindrucksvollste Weise im Leben manifestieren.

Der materiellen Weltsicht wegen ist vielen Erwachsenen später nicht klar, was sie da als Kind an Positivem "eingerührt haben". Es gibt dann den Effekt, dass die positiven Erfahrungen nicht aufrechterhalten oder wiederholt werden können, die sich beim Eintritt in das Erwachsenenleben zunächst aufgebaut hatten.

Für einen Erwachsenen geht es also vor allem darum, sich dieses wichtige Instrument wieder zurückzuerobern: sich große und schöne Träume zu erlauben.

Die Gründe für die Blockaden sind einerseits, dass diese Art des Herumträumens verpönt ist und andererseits, dass ein Wunsch, den man für nicht erfüllbar hält, negative Gefühle auslöst. Der Schlüssel zurück zum freien Fluss der Vorstellungen ist aber, sich diesen negativen Gefühlen solange zu stellen, wie sie eben auftreten.

Es gibt verschiedene Arten des Herumträumens:

  1. Träumereien, die ganz spontan eintreten und die einen Menschen geradezu übermannen und überfluten können: Hier bringt das innere Selbst mit Macht nach oben, was eigentlich wirklich innere Wünsche sind. Das ist um so wichtiger, weil die Vorstellungen, was Wünsche seien, ganz und gar nicht unbedingt mit den wahren Wünschen übereinstimmen und weil diese inneren Wünsche mit gegebenen Situationen kollidieren können. In beiden Fällen neigt man dazu, die Träumereien zu blockieren. Nur um das gerade an dieser Stelle ganz klarzustellen: Es geht in diesem Kapitel nicht um nächtliche Träume im Schlaf, sondern um Träumereien am Tag - eben zum Beispiel diese spontanen Tagträume, bei denen man sich immer wieder erwischt und die es zu befreien gilt von all den Argumenten, die dagegen sprechen - sowohl gegen die Träumereien an sich als auch gegen ihre Inhalte.
  2. willentliches Träumen: Man nimmt sich Zeit für schöne Vorstellungen. Einfach so, weil es schön ist und weil es ein wirksames Mittel zur Gestaltung des eigenen Lebens ist. Abends vor dem Einschlafen oder morgens nach dem Aufwachen oder einfach zwischendurch. Das hat nichts zu tun mit einer zielorientierten Methode, sondern es ist auch eine Art Dialog mit dem eigenen Inneren. Für diese Art des Träumens müssen gegebenenfalls Begrenzungen erst überwunden werden. Nämlich dann, wenn es vor allem negative Gefühle auslöst. Das bedeutet, man gibt sich der Vorstellung hin, der man sich gerne hingeben will und stellt sich dann den negativen Gefühlen, die das vielleicht auf den Plan ruft. Sich bestimmten Vorstellungen immer wieder hinzugeben weil sie gut tun, bedeutet auch, immer wieder auf bestimmte Ideen zu reagieren. Das sind Vorstellungen, die wirken.

Am "Ausgang" von Vorstellungen, also da wo man aus den Vorstellungen heraus in die Wirklichkeit zurückkommt, kann es einen Realitätsschock geben. Das sind negative Gefühle, die aus der Diskrepanz zwischen Vorstellungen und verwirklichter Alltagsrealität resultieren. Es ist die Enttäuschung, dass noch nicht verwirklicht ist, was man sich gerade so schön ausgemalt hat.

Um dem Realitätsschock zu entgehen, könnte man dazu neigen, sich in Vorstellungen zu verlieren und nicht zurück in den Alltag kommen zu wollen. Die Lösung ist hier natürlich, sich diesen Gefühlen einfach immer wieder zu stellen.

Ich habe mit Vorstellungen sehr ausgiebig die Theorie "viel hilft viel" getestet. Sie trifft nicht zu. Man kann sich also einfach an den eigenen inneren Bedürfnissen orientieren, was die Dauer von Vorstellungen betrifft.

nächstes Kapitel: Fragen stellen (Geistige Methoden)