Annahme

Mit dem Begriff "Annahme" ist es ein bisschen kompliziert: Ich brauche ihn zweimal. Das ganze vergangene Buch hindurch habe ich den Begriff "Annahme" im Sinne einer Idee verwendet, die man für wahr hält: eine Annahme als eine Idee, an die man glaubt.

Jetzt geht es um Annahme in einer anderen Bedeutung.

Ich habe versucht für eines von beidem einen anderen Begriff zu verwenden. Aber dann passt es für mich nicht richtig. Dann kann ich nicht mehr frei und intuitiv formulieren.

Also jetzt geht es um Annahme im Sinne von eine gegebene Situation akzeptieren, die inneren Widerstände gegen eine Situation aufgeben.

Es war schon ausführlich davon die Rede, sich Erfahrungen zu öffnen.

Da gibt es ja Erfahrungen, die schwappen über einen Menschen herein bauen sich auf und ziehen weiter. Das ist das eine Ende der Bandbreite.

Am anderen Ende sind die Erfahrungen, die nicht so einfach weiterzuziehen scheinen, sondern die den tagtäglichen Alltag bestimmen: die gegenwärtige Lebenssituation eines Menschen so wie sie ist.

Das Kapitel "Annahme" beschäftigt sich nun mit einem Entwicklungsstrang, der darin besteht, die gegenwärtige Lebenssituation so wie sie ist mehr und mehr anzunehmen, ganz zu akzeptieren und sämtliche inneren Widerstände dagegen aufzuspüren und aufzugeben.

Menschen lieben es ja sehr, sich gegenseitig zu ermahnen: erst einmal, dann noch einmal und schließlich kommt der genervte Unterton dazu und "... verstehst Du nicht endlich ...", "... kannst du nicht endlich ..." und " ... wie oft habe ich dir schon gesagt ... "

Das passiert besonders bei Dingen, die irgenwie nicht so leicht umzusetzen sind.

Für mich selbst ist Annahme eine der schwersten Lektionen gewesen und so bin ich etwas versucht, bei der Weitergabe jenes Thema in genau diesen Ton zu verfallen in der klaren Erwartung, dass es sowieso niemand umsetzen wird, schon gar nicht auf meine Empfehlung hin.

Aber ich glaube daran (man beachte "ich glaube" = "ich halte es für wahr") also ich glaube noch an eine andere Möglichkeit.

Echtes Wissen schafft Verständnis. Und Verständnis wiederum sorgt dafür, dass Menschen bestimmte Dinge von sich aus wollen. Ermahnungen verüberflüssigen sich dann.

Mein eigenes Problem mit der Annahme war auch die ganze Zeit, dass ich nicht wusste: Wieso eigentlich? Wieso soll ich keine inneren Widerstände gegen diese Situation haben, wo doch alles so unerträglich ist? Wieso sollte ich keine Anstrengungen unternehmen, möglichst schnell aus dieser ganzen Misere herauszukommen?

Es erschien mir als die lästigste aller Verpflichtungen, weil die wichtigste Information fehlte:

Das Aufgeben innerer Widerstände gegen bestimmte Situationen gehört zu den wirkungsvollsten Aktionen, die man unternehmen kann, um echte Änderungen zu erzielen.

Also wenn man es wirklich loswerden will, dann ist Annahme eine äußerst wirkungsvolle Maßnahme.

Über einiges wurde schon gesprochen:

Die gegenwärtige Lebenssituation ist eine Erfahrung, die manchmal wie festgebacken erscheint. Da bewegt sich rein gar nichts. Von wegen Erfahrungen ziehen durch und verschwinden. Diese offensichtlich nicht.

Das liegt aber eben auch an genau den inneren Widerständen. Indem diese Widerstände aufgegeben werden, kann sich die Erfahrung in Bewegung setzen.

Der noch viel wichtigere Punkt ist aber, dass man handlungsfähig wird. Innere Widerstände blockieren nicht nur die Erfahrungen sondern auch die Handlungsfähigkeit. Und um eine Lebenssituation dauerhaft zum besseren zu wenden, braucht es auch ein ausdauerndes, entschlossenes Handeln unter neuen Ideen. Annahme befähigt einen Menschen offen, locker und gelöst nach Lösungen zu schauen.

Man akzeptiert also die momentane Lebenssituation als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung. Es ist ein

ganz in der Situation ankommen, so wie sie ist - egal wie sie ist
.

Es gehören zwei Punkte zur Annahme:

  1. Die inneren Widerstände aufgeben, damit die Erfahrung "mein Leben, wie es jetzt ist" ihre Erkenntnisse freigeben kann.
  2. Die Anstrengungen einstellen, es ganz schnell weghaben zu wollen, denn damit reagiert man unterbrochen auf die Idee "Es geht mir so schlecht", was diese Idee nur noch mehr verwirklicht.

Das positive Handeln nach neuen Ideen und für die eigenen Träume erfolgt genau so, als würde man es in der glücklichsten Lebenssituation ausführen. Das ist die Entkopplung des Handelns von der emotionalen Situation. Das mag vielleicht anfangs nicht leicht sein. Aber mit der Zeit wird es immer besser gehen.

nächstes Kapitel: Willen (Elemente der Entwicklung)