Das Handeln entgegen der Materialisierung
Ich möchte jetzt einen geistigen Prozess beschreiben, der ein ganz wesentliches und grundlegendes Element von Änderungsprozessen in der Persönlichkeit ist.
Wir sprechen über einen Entwicklungsprozess von einer materiellen zu einer geistigen Weltsicht, weil nur so Probleme wirklich zu lösen und Grenzen wirklich zu überwinden sind.
Dieser Entwicklungsprozess ist ganz praktisch damit verbunden, das Verhalten von der Situation zu entkoppeln.
Das heißt, in einer Situation, in der man sich bisher immer auf eine bestimmte Weise verhalten hat, verhält man sich nun auf eine neue Weise.
Es geht also um eine Verhaltensänderung.
Im Moment der Verhaltensänderung - auch das wurde schon erwähnt - intensiviert sich die Erfahrung, die mit der Situation verbunden ist.
Es ist übrigens genau das auch der Schlüssel, um derartige Verhaltensänderungen überhaupt initiieren zu können: Falls es nämlich nicht möglich zu sein scheint, dann liegt es vielleicht daran, dass man die Erfahrung, die sich dadurch intensivieren würde, meidet.
Ich finde für diese Wendung den Begriff des sich Stellens sehr passend:
Man ändert sein Verhalten auf irgendeine Weise und wird dadurch ganz direkt mit einer intensivierten Erfahrung konfrontiert:
- sich einer Situation stellen
- sich einer Aufgabe stellen
- sich einer Angst stellen
- sich einer Wahrnehmung stellen
- sich einem Gefühl stellen
Das sich Stellen ist der Entschluss, sich mit etwas zu konfrontieren. Es leitet eine Phase ein, die ich das Handeln entgegen der Materialisierung nenne.
Das heißt, man handelt auf eine andere Weise, als es die Situation vorzugeben scheint.
In dieser Situation ist man möglicherweise mit recht starken Widersprüchen konfrontiert. Man hat ja das alte Verhalten nicht vergessen. Auch ändert sich die Situation nicht gleich.
Man hat vielleicht das Gefühl, das komplette Gegenteil dessen zu tun, was eigentlich richtig ist (was eben durch die Situation vorgegeben wird).
Es ist von größter Bedeutung zu verstehen, dass die Verhaltensänderung mit einer gleichzeitigen Öffnung für die Erfahrung verbunden ist. Denn instinktiv würde man vielleicht genau das Gegenteil tun: Die Erfahrung intensiviert sich und man drückt sie erst mal weg.
Indem man sich aber der Erfahrung öffnet beginnt ein innerer energetischer Prozess in Körper und Geist, der in einem höchst praktischen Sinne tiefgreifende Änderungen in der Persönlichkeit vollzieht.
Je mehr man sich dabei trotz aller Widersprüche entspannen kann, um so reibungsloser läuft der Prozess ab. Das kann man fühlen: Es laufen möglicherweise energetische Reaktionen im Kopf, im Körper oder auf der Hautoberfläche ab.
Dieser Prozess ist ein wesentliches Kennzeichen echter Veränderungenen. Er wirkt sich auf mehreren Ebenen aus:
- die ursprünglichen falschen Ideen verlieren ihre Überzeugungskraft
- neue Ideen tauchen auf
- neue Wege und Möglichkeiten eröffnen sich
- neue Verhaltensweisen etablieren sich
- es kommt mitunter zu energetischen Durchbrüchen mit starken Energieschüben, großen Freudeausbrüchen und umfassenden Erkenntnissen
Aber bevor es zu all diesen positiven Wirkungen kommt, muss man jene Phase durchstehen, die ich das Handeln entgegen der Materialisierung nenne. Diese Phase fühlt sich vielleicht nicht sehr angenehm an. Sie hat vor allem das Ziel, eine möglichst vollständige Öffnung für die mit ihr verbundene Erfahrung zu erreichen.