Mini-Problemchen

Viele dieser Problemschemas ziehen sich bis in allerkleinste Details des menschlichen Alltags hinein, in Dinge, die scheinbar eigentlich völlig unbedeutend sind und die man vielleicht gar nicht als Probleme benennen würde und die sich aber dennoch als kleine Einschränkungen der Freiheit auswachsen können. Dazu zwei Beispiele:

Ich trage im Sommer gern weiße Hosen. Als ich diesen Sommer damit anfing, ergab sich folgendes Problem: Ich kleckerte sie beim Essen ständig voll. Nicht so wie man das als normalen Effekt vielleicht kennen würde, sondern mindestens einmal am Tag und manchmal 2 und 3 Mal. Ich war nur noch am weiße Hosen waschen. Und es war so penetrant - ich kam mir fast veralbert vor: Nachdem ich zum Mittagessen schon eine Hose mit Bolognese auf dem Gewissen hatte, fiel mir zum Abendbrot das Wurstbrot mit Ketchup aus der Hand und auf die Hose.

Gleich als es anfing, setzte innerlich die Verallgemeinerung ein: "So kann das nicht weitergehen. Kann ich vielleicht gar keine weißen Hosen mehr anziehen?" und es kamen mir verschiedene Lösungsstrategien in den Sinn: Zu Hause könnte ich die Hosen zum Essen ausziehen und auswärts würde ich eben etwas darüberlegen. Oder ich sollte vielleicht nur noch weißes Essen zu mir nehmen (kleiner Scherz).

Der Witz ist aber, absolut überhaupt gar nichts zu unternehmen. Außer natürlich Hosen waschen. Aber keinerlei vorbeugende Maßnahmen und sich auch nicht im weiße Hosen tragen einzuschränken.

Das bedeutet, sich der Erfahrung zu stellen: Sich einfach weiter verhalten wie man will und die Erfahrung offen hinnehmen. Ich kleckerte also weiter und wusch fast täglich weiße Hosen.

Der absolut verblüffende Effekt ist, wie die Erfahrung vollkommen restlos verschwindet. Das Kleckern ging noch ein paar Tage weiter und danach habe ich den ganzen Sommer lang - also über mehrere Monate - nicht eine einzige Hose mehr bekleckert, obwohl ich nicht den Hauch eines Gedankens mehr daran verschwendet hatte.

Nun zum zweiten Beispiel:

Ich gehe gern längere Strecken Schwimmen, meistens 3000 Meter. Dabei interessiert mich dann auch, wie schnell ich bin und ob ich mich verbessere. Da es sehr mühsam ist 120 25-Meter Bahnen zu zählen und meistens auch nicht klappt, kaufte ich mir einen Rundenzähler mit Stoppuhr. Es ist eine spezielle Konstruktion fürs Schwimmen, die man über den Zeigefinger streift und dann kann man mit dem Daumen der gleichen Hand immer beim Wenden draufdrücken.

Das Problem erschien schon vor dem ersten Versuch damit: Wie sollte ich denn sicherstellen, dass ich in der Bewegung den Druckknopf überhaupt erwischte und dann auch noch richtig drückte? Also so, dass es nicht zu sachte war und nicht zählte und auch nicht so fest, dass die Uhr dabei in kürzester Zeit draufgeht oder ein doppeltes Drücken gezählt wird - das wäre nämlich die Pausenfunktion.

Eigentlich erschien es mir nicht realistisch, dass das überhaupt je funktionieren könne. Ich stellte die verschiedensten Überlegungen an: Kurz anhalten zum Drücken, aber das würde die Zeit versauen usw. Es gab keine Lösung.

Also fing ich einfach damit an. Es kam natürlich wie es kommen musste, dass ich mich verdrückte: 3000 Meter geschwommen (und sogar mehr, weil ich nicht immer richtig gedrückt hatte) und kein vernünftiges Ergebnis.

An dieser Stelle greift absichtsloses Handeln. Einfach weitermachen, als wäre nichts - ganz entspannt und sich ggf. den Gefühlen des Ärgers und der Enttäuschung stellen, wenn es nicht klappt.

Das vermutete Problem verschwindet dadurch vollständig. Es stellte sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase heraus, dass ich nahezu immer perfekt richtig drückte ohne mir weitere Gedanken darum zu machen. Außerdem entdeckte ich, dass ich in der Gleitphase nach der Wende einen kurzen Blick auf die Uhr werfen konnte, ohne das Schwimmen zu unterbrechen. So bemerkte ich die wenigen Verdrücker, die es noch gab, sogar meistens noch. Und zudem lernte ich auch in den wenigen Fällen, wo das Ergebnis nicht stimmte, es mit wenig Aufwand richtig zu rechnen - wenn ich wollte.

All das ergab sich wie von selbst. Es entwickelte sich ganz selbstständig, ohne dass ich darüber nachdenken musste.

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