Kontrollverlust

"Was denn, ich soll auf unangenehme Erfahrungen gar nicht mehr reagieren? Dann geht doch alles erst recht den Bach hinunter!"

Der hier vorgeschlagene Prozess, Erfahrungen zuzulassen, anstatt sie direkt oder durch unmittelbare Reaktionen zu blockieren, geht mit dem Gefühl von Kontrollverlust einher:

Die Situation scheint außer Kontrolle zu geraten. Da muss man doch einfach etwas unternehmen.

Es geht aber gar nicht darum, nichts mehr zu unternehmen.

Es geht darum, eine andere Quelle des Handelns anzuzapfen.

Statt in wirkungslose Schnellschüsse und hektische Aktivität zu verfallen, geht es darum das zu tun, was tatsächlich zu Lösungen führt.

Falls es nötig ist, etwas zu tun. Denn oft besteht die Lösung auch darin, damit aufzuhören, etwas zu tun.

Der Mensch ist mehr als er denkt. Die menschliche Identität geht um Dimensionen über das hinaus, was der Mensch für seine Identität hält.

Und so ist es auch mit seinen Möglichkeiten.

Man könnte sagen

Das Handeln nach der Erfahrung bezieht das Innere des Menschen mit seinen unglaublichen und weitgehend unbekannten Möglichkeiten mit ein.

Lösungen kommen kraft- und wirkungsvoll von innen.

Es ist eine andere Art zu handeln. Es ist eine andere Quelle des Handelns.

Das heißt nicht, dass es immer lange dauern muss. Blitzschnelle Reaktionen sind - wo das tatsächlich notwendig ist - eine Stärke des Inneren Selbst (wie man die erweiterte Identität des Menschen auch nennen könnte). Aber dafür muss man vor allem eins: für seine Erfahrungen offen sein.

Kommen wir noch einmal auf unser Beispiel zurück:

"Schokolade macht dick"

Man hat mal wieder unvernünftigerweise Schokolade gegessen und die Erfahrung ist im Anmarsch: Man fühlt sich dick. Nun kommt das schlechte Gewissen ("Das war ein Fehler") und mit ihm die schnellen Entscheidungen und der schnelle Aktionismus:

All das tut man aber dieses Mal nicht, sondern man öffnet sich der Erfahrung. Nun passiert das Unvermeidliche: die Erfahrung verstärkt sich. Sie kommt hoch. Bisher wurde sie ja immer unterdrückt. Damit steigt natürlich der Druck, nun doch auf irgendeine Weise zu reagieren. Das tut man nach Möglichkeit aber nicht. Sondern man entspannt sich, öffnet sich weiter und gibt der Erfahrung so gut es geht immer mehr Raum sich zu entfalten.

Das heißt es, sich einer Erfahrung zu öffnen.

nächstes Kapitel: Entkopplung